Mittwoch, 31. August 2016

Kateryna Babkina: Heute fahre ich nach Morgen

- ein außergewöhnliches Romandebüt über eine junge Frau auf der Suche nach sich selbst.


Buchdaten

Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Verlag: Haymon Verlag
Erschienen am: 16.8.2016
ISBN-13: 978-3709972274

Ein ganz herzliches Dankeschön an den Haymon Verlag, der mir dieses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.


Inhalt
Sonja ist eine lebenslustige junge Frau, eine Malerin, die von allen gemocht wird, in den Tag hineinlebt und die Wahrheit liebt:

"Sonja wollte niemanden belügen und wenn sie doch jemanden belog -was immer mal wieder passierte-, ging sie danach hin und sagte die Wahrheit." (S.8)

Sie lebt in der Ukraine, hat drei guten Freundinnen - Eteri, Nastja und Katja - und einen französischen Lebensgefährten Louis. Doch dieser verlässt sie, da er sie nicht mehr liebt. Dies zerreißt der optimistischen jungen Frau das Herz:

"Erst bei Louis hatte Sonja verstanden, wovor sie sich wirklich fürchten musste: vor dieser Leere, die kam, wenn alles vorbei war. Vor der inneren Taubheit...vor dieser völligen inneren Taubheit." (S.100)

Von Selbstzweifeln geplagt, wagt sie ein nächtliches Abenteuer in einem verlassenen Taubenschlag, das mit fantasievollen Bildern erzählt wird:

"Der Mann war warm, es war schön, ihn zu umarmen. Grünlich, spärliches Licht brach durch die Ritzen in den Brettern, es zitterte vor den kleinen Fenstern. Die unsichtbaren Tauben stöhnten irgendwo auf dem Dach, schlugen mit ihren Flügeln, schmiegten sich aneinander und rückten in die schrägen Morgenstrahlen. Sonja spitzte ihre Lippen und küsste den Mann auf den Bart und neben den Mund - was blieb auch sonst zu tun?" (S.23)

Sie stellt danach fest, dass sie schwanger ist. Doch sie kann keine Beziehung zu dem kleinen Wesen in ihr aufbauen. So kommt sie auf die Idee ihren Vater aufzusuchen, der ihre Mutter und sie verlassen hat, als sie noch ganz klein war. Auf der Reise mit ihrem altersschwachen Lada in ihre Heimatstadt und  ihre Vergangenheit begegnet sie einer Frau, die mit den Toten spricht, dem Zigeunerclan der Likarenkos, der immer wieder ihren Weg kreuzen wird, sowie ihren alten Schulfreund Sascha Wertipu, Pu genannt. Dieser lebt mit Zhenja Wertipo, Po genannt, zusammen.

Sonntag, 28. August 2016

Dörte Hansen: Altes Land

- eigenwillige Charaktere und ungeschöntes Landleben.

Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 290 Seiten
Verlag: Büchergilde Gutenberg
Erschienen 2015
ISBN-13: 978-3-7632-6819-1


Vorne weg
Es gibt eine neues Label auf meinem Blog: Lesen mit Mirella. Schon seit einiger Zeit lesen wir gegenseitig unsere Beiträge, kommentieren diese auch und haben festgestellt, dass unsere Haustiere den gleichen Namen tragen - wenn sie auch zu unterschiedlichen Spezies gehören. Meines würde Mirellas sicherlich gerne jagen ;)
Glücklicherweise haben wir auch einen ähnlichen Buchgeschmack, so dass wir uns entschieden haben, einmal am Monatsende ein Buch gemeinsam zu lesen. Den Anfang macht dieses wunderbare Romandebüt.


Inhalt
Im Vordergrund dieses Roman stehen einerseits die eigenwilligen Figuren und das Alte Land selbst, das geographisch an den Elbufern südlich von Hamburg liegt.
Die Chronologie der Ereignisse wird immer wieder von Rückblicken unterbrochen und es wird aus verschiedenen personalen Perspektiven erzählt, so dass man zu Beginn eine Weile braucht, um im Roman anzukommen. Dazu tragen auch die vielen unterschiedlichen Figuren bei, wobei im Mittelpunkt Vera Eckhoff und ihre Nichte Anne stehen.

Vera Eckhoff ist die Tochter von Hildegard von Kamcke, eine am Ende des 2.Weltkrieges aus Ostpreußen vertriebene Adlige, die gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter Fürchterliches auf der Flucht erlebt hat.
Anne vergleicht ihre Großmutter Hildegard mit den vereisten Blüten im Frühjahr, "Frostschutz durch Vereisung" (S.270), es sei ihre einzige Möglichkeit gewesen, das Traum der Flucht zu überstehen.

Hildegard und ihre Tochter Vera finden notgedrungen Unterschlupf im Hause Ida Eckhoffs, einer Bäuerin des Alten Landes, Witwe und Mutter eines Frontsoldaten. Vera und Ida nähern sich behutsam an, während Hildegard nicht bereit ist, die Opferrolle einzunehmen. Als Idas Sohn Karl aus dem Krieg zurückkehrt, ist er nur noch ein Schatten seines früheren Selbst.

"Ihr Hoferbe Karl Eckhoff, stark und hoffnungsvoll, war im Krieg geblieben. Einen Pappkameraden hatten sie ihr zurückgebracht. Freundlich und fremd wie ein Reisender saß ihr Sohn auf der Hochzeitsbank und schickte Rauchringe in den Himmel. Und in den Nächten schrie er." (S.14)

Ida kann mit diesem traumatisierten jungen Mann nicht umgehen, während Hildegard ihn trotzdem heiratet. Im Haus kämpfen die beiden Frauen erbittert gegeneinander. Als Hildegard eigenmächtig ein Klavier kauft und im Haus Möbel umstellt, wählt Ida den Tod - ein Ereignis, das Vera nachhaltig prägt und sie zeitlebens glauben lässt, das Haus dürfe nicht verändert werden.

Samstag, 27. August 2016

Tim Parks: Worüber wir sprechen, wenn wir über Bücher sprechen

- eine Essaysammlung, die Fragen rund um das Lesen und Schreiben anspruchsvoll beleuchtet.

Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Verlag Antje Kunstmann GmbH
Erschienen am: 24.8.2016
ISBN-13: 978-3956141300
Originaltitel: Where I´m reading from

Vielen Dank an die Bücherhütte, die mir dieses Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.

Inhalt

Tim Parks selbst hat auf vielfältige Art und Weise mit Büchern zu tun. In einem der Essays "Sind Sie der Tim Parks, der...?" (S.189) thematisiert er selbst seine unterschiedlichen Gesichter, die je nach Nation variieren, um zu zeigen, dass ein Schriftsteller nicht immer einer Weltgemeinschaft zugehörig ist.
"In England bin ich hauptsächlich für leichte, aber, wie ich hoffe, gehaltvolle Sachbücher bekannt; in Italien für polemische Zeitungsartikel und ein umstrittenes Buch über Fußball; in Deutschland, Holland und Frankreich für Europa, Schicksal, Stille, die ich als meine >seriösen< Romane bezeichnen würde, in den USA für Literaturkritik; und in einer Handvoll anderer Länder, aber auch in verschiedenen akademischen Milieus, für meine Übersetzungen und Texte über das Übersetzen." (S.189)

Diese Vielfalt ermöglicht es ihm in 33 Essays "Die Welt des Buches", "Das Buch in der Welt", "Die Welt des Schriftstellers" und "Schreiben rund um die Welt" differenziert und amüsant zu betrachten.

So stellt er gleich zu Beginn die provokante These auf, ob wir Romane wirklich brauchen.
Ihre Leistung bestehe darin, dass sie "die Idee eines Ichs, das sich mit der Zeit entwickelt, begierig, wirklich etwas zu sein (selbst zum Preis großen Leidens)" (S.19) befördern.
Aber brauchen wir sie wirklich? Wecken sie nicht vielmehr große Erwartungen, die nicht erfüllt werden können?
Tim Parks gesteht, dass er selbst der Ich-Erzählung verfallen ist, ohne sie jedoch wirklich zu brauchen. Aber wir alle, die wir lesen, wissen um die Freude, in andere Leben einzutauchen und mitzuleiden, mitzufiebern und sich mitzufreuen.

Dienstag, 23. August 2016

Jonas Jonasson: Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind

- skurril, skurriler, am skurrilsten!


Sprecher: Jürgen von der Lippe
Spieldauer: 9 Stunden und 24 Minuten
ungekürztes Hörbuch

Inhalt
Der Hotel-Rezeptionist Per Persson trägt schwer an seinem Familienerbe. Obwohl sein Großvater einst mit Pferden viel Geld gemacht hat, verkannte er jedoch die Bedeutung der Traktoren und ging pleite. Von seinem Vater wurden er und seine Mutter, die nach Island ausgewandert ist, verlassen, so dass Per sich mehr recht als schlecht alleine durchs Leben schlägt. Das ändert sich schlagartig, als er die ebenfalls an ihrer Familiengeschichte gescheiterte Pfarrerin Johanna Kjellander kennenlernt. Von ihrem Vater aus Familientradition in den Beruf gedrängt, wird sie nach seinem Tod aufgrund ihrer atheistischen Gundeinstellung arbeitslos. Fehlt noch der titelgebende Protagonist, Johan Andersson, Mörder-Anders genannt, der aus der Haft entlassen, eine neue Aufgabe sucht. Gemeinsam mit der Pfarrerin und dem Rezeptionisten gründet er eine Körperverletzungsagentur, wobei er die Rolle des ausführenden Objekts innehat, während vor allem die Pfarrerin der Kopf der Gesellschaft ist.
Dummerweise bekehrt sie ungewollt den recht einfältigen Mörder zum Gottesglauben - Hallelujah und Hosianna!

Samstag, 20. August 2016

Robert Seethaler: Ein ganzes Leben

Ein stiller Roman über einen noch stilleren Menschen.


Buchdaten
Taschenbuch: 200 Seiten
Verlag: Wilhelm Goldmann Verlag
Erschienen am: 28.Juli 2014
ISBN-13: 978-442-48291-7

Inhalt
Andreas Egger gelangt mit ca. 4 Jahren 1902 in ein Tal in Österreich, in dem er den größten Teil seines Lebens verbringen wird. Bauer Kranzstocker nimmt ihn widerwillig bei sich auf, da er der Sohn einer verstorbenen Schwägerin ist. Andreas wird oft vom Bauern mit einer Gerte geschlagen, einmal so heftig, dass sein Oberschenkelknochen bricht. Die Folge ist ein lebenslanges Hinken, da das Bein nicht mehr richtig zusammenwächst. Trotzdem reift er zu einem starken jungen Mann heran, der jegliche Arbeit im Dorf verrichten kann. Nach einem seltsamen Ereignis mit einem sterbenden Ziegenhirten im Jahr 1933, der sich weigert, sich von ihm ins Dorf bringen zu lassen und im Schnee verschwindet, lernt er im Wirtshaus die Liebe seines Lebens kennen, Marie.

"Noch einen?, fragte die junge Frau und Egger nickte. Sie brachte ein neues Glas, und als sie sich nach vorne beugte, um es auf den Tisch zu stellen, berührte sie mit einer Falte ihrer Bluse seinen Oberarm. Die Berührung war kaum zu spüren, doch hinterließ sie eine feinen Schmerz, der mit jeder Sekunde tiefer in sein Fleisch zu sinken schien. Er sah sie an, und sie lächelte." (S.13)

Freitag, 19. August 2016

Thomas Franke: Das Haus der Geschichten

- ein Roman, der zum Nachdenken herausfordert.

Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
Verlag: Gerth Medien
Erschienen am: 1.1.2014
ISBN-13: 978-3865919625

Diesen Roman habe ich im Rahmen der neuen Themen-Leserunden - Bücher über Bücher - auf Whatchareadin gelesen.


Inhalt
Marvin Heider ist arbeitslos und lebt mit dem Pflegekater Poseidon in einer Zweizimmer-Wohnung in Berlin. Er hat Germanistik, Philosophie und skandinavische Literatur studiert, ist diversen Jobs nachgegangen und endlich erhält er von seiner Sachbearbeiterin ein Angebot, das er gerne annehmen möchte. Es ist die  Assistenz und Stellvertretung des derzeitigen Inhabers eines Antiquariats und einer narratorischen Apotheke. Das Einstellungsgespräch mit dem Inhaber Rasmus-Salomo Eichdorff, der Marvin an Bilbo Beutlin erinnert, verläuft entspannt.
Ein geheimnisvoller Raum im Keller des Antiquariats weckt Marvins Neugier, vor allem nachdem er die Erzählung "Der Schemen" gelesen hat, die ein schattenhafter junger Mann für Herrn Eichdorff abgegeben hat. Bevor er mit Rasmus gemeinsam den Raum betritt, lernt Marvin Linnéa kennen, die Enkelin des Ladenbesitzers, die ihm sehr sympathisch ist. Gemeinsam mit ihr und Rasmus setzt sich Marvin mittels der Geschichten in der narratorischen Apotheke mit mit seiner religiösen Einstellung auseinander. In den Gesprächen werden Fragen nach dem Glauben erörtert, nach dem Leben und Wirken Jesus und nach der Auslegung der Bibel. Dabei fängt Marvin, der in der ehemaligen DDR eine atheistische Erziehung "genossen" hat, ganz von vorne an.
Im Vordergrund stehen meines Erachtens die einzelnen parabelhaften Geschichten, die jeweils Anlass für Diskussionen bieten und Marvin einen neuen Lebensweg eröffnen.

Mittwoch, 17. August 2016

Joanne K Rowling/John Tiffany/Jack Thorne: Harry Potter and the cursed child

- und der Zauber geht weiter.


Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 343 Seiten
Verlag: Little, Brown Book Group
Erschienen am: 31.7.2016
ISBN-13: 978-0751565355

Vorne weg
Als bekennender Harry-Potter-Fan wollte ich natürlich nicht auf die deutsche Ausgabe warten und habe mich daher an das englische Skript herangewagt. Gemeinsam mit meinen beiden Kindern habe ich die Fortsetzung der Geschichte um jenen Zaubererjungen gelesen, der inzwischen erwachsen geworden ist. Und so stehen auch neue Themen im Vordergrund des Theaterstücks, denn aus den einstigen Zaubererschülern und -schülerinnen sind Väter und Mütter geworden, die erst in diese Rolle hineinwachsen müssen.

Inhalt
Das Theaterstück, das auf einer unveröffentlichten Erzählung von J.K.Rowling basiert, knüpft an den Epilog des 7.Bandes an.
Es beginnt auf dem Bahnsteig 9 3/4 mit dem ersten Schuljahr von Albus Severus Potter, der gleich die Bürde dreier Namen trägt: Benannt sowohl nach Albus Dumbledore als auch nach dem mutigen Severus Snape und zugleich Sohn des berühmten Harry Potter, der die Zaubererwelt vor der Lord Voldemort gerettet hat.
Im Zug freundet er sich ausgerechnet mit Scorpius Malfoy an, dem Sohn Draco Malfoys, des einstigen Widersachers seines Vaters. Die ersten drei Schuljahre werden nur in einzelnen Sequenzen dargestellt und zeigen, dass Albus dem Haus Slytherin zugeordnet wird, kein Quidditch spielen kann und ein Außenseiter ist, genau wie sein Freund Scorpius, den das Gerücht umgibt, er sei der Sohn Lord Voldemorts.
Im Ministerium taucht derweil ein Zeitumkehrer auf, obwohl angeblich alle beim Kampf in der Mysteriumsabteilung (5.Band) zerstört wurden. Trotz Bedenken bewahrt Hermine - inzwischen Zaubereiministerin - ihn in ihrem Büro auf, statt ihn zu zerstören.
Irgendwie erfährt Amos Diggory von dem Zeitumkehrer und bittet Harry ihn benutzen zu dürfen, um seinen Sohn Cedric zu retten, der auf dem Friedhof bei der Rückkehr Lord Voldemorts (4.Band) getötet wurde. Doch Harry leugnet die Existenz des Zeitumkehrers. Das Gespräch wird jedoch von Albus und der Nichte Amos Delphi belauscht. Nach einem Streitgespräch zwischen Albus und Harry, nachdem Harry seinem Sohn die Decke schenken möchte, in die er als Baby eingewickelt war und die das einzige ist, was er von seiner Mutter noch hat, fällt folgender Satz:

"Well, there are times I wish you weren´t my son." (S.44)
(Manchmal wünschte ich, du wärst nicht mein Sohn.)

Eine unverzeihliche Aussage, die eine ganze Kette von Ereignissen auslöst. Zunächst beschließt Albus Amos Diggory zu helfen, indem er gemeinsam mit Scorpius und Delphi den Zeitumkehrer aus dem Ministerium stiehlt, um dann die Vergangenheit zu ändern und Cedric zu retten.

Die Folgen der Zeitreisen sind alternative Realitäten, die zeigen, was sich ändern könnte, wenn man nur ein einzelnes Ereignis in der Vergangenheit beeinflusst. Doch auch in der Gegenwart trifft Harry falsche Entscheidungen, die die Situation noch verschlimmern. Hinzu kommt, dass seine Narbe wieder schmerzt und er von Alpträumen geplagt wird.
Denn das Böse lauert nicht nur in der alternativen Realität, sondern ist auch in der Gegenwart präsent.

Montag, 15. August 2016

Susan Jane Gilman: Die Königin der Orchard Street

Der amerikanische Traum wird wahr: vom russischen Einwandererkind zur Herrscherin über ein Eiscreme-Imperium.

Buchdaten

Gebundene Ausgabe: 600 Seiten

Verlag: Insel Verlag

Erschienen am: 7.März 2015

ISBN-13:978-3458176251

Originaltitel: The Ice Cream Queen of Orchard Street

Vielen Dank an den Suhrkamp/Insel-Verlag, der mir dieses Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.


Inhalt
Der Roman erzählt in Form einer Lebensbeichte den kometenhaften Aufstieg einer russisch-jüdischen Immigrantin zur Eiskönigin Amerikas. Dass dieser Aufstieg zu Ende scheint, erfahren wir direkt zu Beginn:

"Doch wenn die Leute heutzutage meinen Namen hören, denken sie nur an miese Schlagzeilen. An einen einzelnen Vorfall im Live-Fernsehen. Anklagen wegen Steuerhinterziehung und eine Verhaftung - auch das falsch, wie ich wohl nicht extra betonen muss." (S.13)

Im Rückblick wird die Lebensgeschichte aus der Ich-Perspektive der Eiskönigin erzählt, im Wechsel mit Episoden aus der Gegenwart, in der sie vor einigen wichtigen Gerichtsverhandlungen steht. Wie konnte es dazu kommen?

1913 erreicht die 5-jährige Malka mit ihren Eltern und drei Schwestern das Land der Träume: Amerika. Während der Pogrome in Russland geflohen, will die jüdische Familie ursprünglich nach Südafrika, zu einem Onkel. Doch in Hamburg, während die Mutter und ihre drei Schwestern in Quarantäne sind, entschließt sich Malkas Vater kurzerhand die Tickets umzutauschen und statt dessen in das Land zu reisen, von dem so Großartiges berichtet wird. Die Nähe und Beachtung, die Malka in diesen wenigen Tagen von ihrem Vater erfährt, wird sie ein Leben lang immer wieder suchen.

Sonntag, 7. August 2016

Cora Stephan: Ab heute heiße ich Margo

- ein historischer Roman, der einen Bogen von 1936 bis zur Jahrhundertwende spannt und vom Schicksal zweier beeindruckender Frauen erzählt - in Ost- und Westdeutschland.


Sprecherin: Tanja Fornaro
Spieldauer: 18 Stunden, 8 Minuten
ungekürztes Hörbuch


Inhalt
Im Mittelpunkt dieses zeitgeschichtlichen Romans stehen zwei Frauen: Margarete und Helene.

Margo, wie sich nennt, weiß, was sie will: bei Photo Werner lernen. Aus eigenem Antrieb hat sie sich diese Lehrstelle als Bürokraft organisiert.
Wir schreiben das Jahr 1936 in Stendal.
Margo Hegewald ist glücklich in ihrer Ausbildung und lernt den Diplomaten Alard von Sedlitz auf einer Soiree der mondänen Familie Seliger kennen. Sie verliebt sich in den Adligen, dessen Vater ein Gut in Schlesien besitzt. Doch Alards Herz schlägt für Helene, eine junge Fotografin, die er gemeinsam mit seinem englischen Diplomatenfreund Liam im spanischen Bürgerkrieg vor den Rotarmisten gerettet hat. Ebenso wie seine Dogge Adalante. Auch Liam liebt die junge Frau und Alard glaubt, Helene habe ebenfalls ihr Herz an den Engländer verloren - eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellt.
Alard organisiert Helene eine Anstellung bei Photo-Werner in Stendal und so freunden sich Margo und Helene, die Spionage betreibt, wovon Margo nur eine Ahnung hat, an. Inzwischen bricht der 2.Weltkrieg aus und am Beispiel von Margo kann man verfolgen, wie wenig die Propaganda des NS-Regimes hinterfragt wurde - bis Helene von der Gestapo abgeführt wird. Unklar bleibt, ob es ihre jüdische Abstammung oder ihre Spionagetätigkeit ist, die ihr zum Verhängnis wird. In ihrer Naivität verrät Margo Helenes Defätismus, wofür sich Helene später rächen wird..

Donnerstag, 4. August 2016

Peter Richter: 89/90

- ein Wenderoman.

Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 416 Seiten

Verlag: Luchterhand Literaturverlag

Erschienen am: 9. März 2015

ISBN-13: 978-3630874623

Vielen Dank an das Bloggerportal, das mir den Roman freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Inhalt
Der Roman erzählt aus der Sicht eines fast 16-Jährigen die Erlebnisse rund um die Wendezeit in Dresden. Er beginnt Ende April 1989 und endet mit der Wiedervereinigung - wobei deutlich wird, dass der Ich-Erzähler auf die Ereignisse von damals zurückblickt, wie einige Vorausdeutungen verraten:
"Hätte man damals schon sagen können, wer dort eines Tages wem einen Baseballschläger über den Kopf hauen würde?" (S.19)

Der namentlich nicht genannte Protagonist schildert aus der Ich-Perspektive in kurzen, assoziativen Episoden seinen Alltag, seine Freundschaft mit S. und die Beziehung zu L.
Alle Figuren im Roman werden jeweils nur mit einem Großbuchstaben bezeichnet, was den Lesefluss und das sich Merken der Figuren erschwert, aber Authentizität vermittelt, so als ob die Personen anonymisiert werden müssten.
Ausgangspunkt der Handlung ist ein Freibad, in dem sich nachts die unterschiedlichsten Cliquen treffen und in dem der Ich-Erzähler zum ersten Mal L. sieht, die mit 18 Jahren in die SED eintreten will.

"Ich glaube, ich musste kurz stehen bleiben, als sie das sagte. Sicher ist, dass ich Lust hatte, einen Knoten in die Straße zu machen, um mir Zeit und Ort auf immer zu merken. Denn das war die Nacht, in der ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Kommunistin traf. Also: eine echte, eine, die nicht nur sagt, sie sei eine, weil sie das gerade sagen muss, und auch keine Pionierleiterin oder FDJ-GOL-Sekretärin, die damit ihr Geld verdient." (...) Im Grunde waren wir von Anfang an in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass es bei uns trostlos war - aber es war eben bei uns, und das war nun einmal der Ort, wo das Abenteuer unseres Aufwachsens stattfand. (...) Und L. nun war tatsächlich der erste Mensch in meinem Alter, der ganz privat und ungefragt bekannt gab, dafür zu sein, wo privat und ungefragt eigentlich alle immer nur dagegen waren." (S.24/25)

Der Ich-Erzähler, 1973 geboren - ebenso wie der Autor selbst-, liebt Punkmusik und ein Großteil des Romans kreist um den Wunsch gemeinsam mit S. eine Band zu gründen und einen entsprechenden Namen zu finden. Wer im Osten aufgewachsen ist, wird die verschiedenen Bands, von denen die Rede ist, kennen.

Dienstag, 2. August 2016

Aharon Appelfeld: Ein Mädchen nicht von dieser Welt

- ein Jugendbuch, über Freundschaft, Güte und Mut.

Buchdaten
Gebundene Ausgabe: 128 Seiten
Verlag: Rowohlt Berlin
Erschienen am: 28.August 2015
ISBN-13:978-3871347887

Vielen Dank an den Rowohlt-Verlag für dieses Rezensionsexemplar.

Vorne weg
Der Autor Aharon Appelfeld ist 1932 in Czernowitz, das liegt in der heutigen Westukraine, geboren. Er selbst war im Ghetto und konnte in den ukrainischen Wäldern und als Küchenjunge der Roten Armee den Krieg überleben. Er kam 1946 nach Palästina und lebt heute als Professor der Literatur und Romanautor in Jerusalem. (Quelle, S. 127)

Inhalt
Die beiden neunjährigen, jüdischen Jungen Adam und Thomas werden von ihren Müttern jeweils aus dem Ghetto heraus in den Wald gebracht, da die Mütter die Deportation der Jungen befürchten.

"Hab keine Angst, wiederholte die Mutter. Du kennst unseren Wald und alles darin. Setz dich unter einen Baum, zum Beispiel unter den mit der runden Krone, lies das Buch von Jules Verne oder spiel das Spiel mit den fünf Steinen, dann wird dir die Zeit schnell vergehen." (S. 7)

Die beiden Jungen treffen im Wald aufeinande

Montag, 1. August 2016

Bettina Balàka: Die Prinzessin von Arborio

- Verständnis für eine dreifache Mörderin?

Buchdaten

Gebundene Ausgabe: 200 Seiten

Verlag: Haymon Verlag

Erschienen am: 8.März 2016

ISBN-13: 978-3709972397


Mein Dank geht an den Haymon-Verlag, der mir dieses Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat, und an Renie, die mich mit ihrer Rezension auf den Roman neugierig gemacht hat.


Inhalt
"Für die einen war das Töten undenkbar, für die anderen war es machbar." (S.5)

Elisabetta Zorzi, von allen nur Zorzi genannt, gehört zu denjenigen, für die es machbar ist.
Sie ist eine junge, schöne Frau und Inhaberin des Wiener Restaurants Cantinetta Zorzi, finanziert von ihrem ersten Ehemann Bernhard, dem sie auch ihre atemberaubende Schönheit verdankt, da er sie zu zahlreichen Operationen überredet hat.
Obwohl sie sich gefällt, nagt doch der Zweifel an ihr:

"Er hat mich verändern wollen. Er hat mich verändert. Er hat mich nicht so geliebt, wie ich war." (S.6)

Trotzdem stimmt sie seinem Heiratsantrag zu, obwohl sie psychosomatische Beschwerden davon bekommt - wie Würgereiz und Herzrhythmusbeschwerden. Ihm zuliebe steigt sie auf Berge und lässt sich von ihm beschimpfen, bis sie beschließt, dass so ein Gipfel eine wunderbare Gelegenheit sein kann, sich des unliebsamen Mannes zu entledigen.